Raum 3
The [New] Scramble for Africa

[CHOOSE YOUR LANGUAGE IN THE MENU]

PLAY INTRO,
THEN GO THROUGH THE EXHIBITION!

soundstück, 5’06“ Minuten, in deutscher Sprache von Lorenz Rollhäuser

Bis vor kurzem wollten weder die Bundesregierung noch die ethnologischen Museen und ihre Träger etwas von Restitutionen wissen. Nun soll alles anders werden. Nach den Worten von Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Hermann Parzinger, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ist das Thema Restitution von Werken aus kolonialen Kontexten so gut wie geklärt. “Substanzielle Rückgaben” werden nun nicht mehr kategorisch abgelehnt, sondern ausdrücklich befürwortet. Das ist gut. Trotzdem hätten wir da noch ein paar Fragen…

BARAZANI.berlin Raum 3: Ausstellung einer Powerpoint-Präsentation des Auswärtigen Amts zur neuen »Agentur für Internationale Museumskooperation«, Juni 2021

Die Ausstellung »The [New] Scramble for Africa« thematisiert eine Power-Point-Präsentation, die Andreas Görgen, Leiter der Abteilung Kultur und Kommunikation des Auswärtigen Amts, am 24.11.2020 auf der Online-Konferenz Collections from Colonial Contexts präsentierte. Darin stellte er die neue Agentur für Internationale Museumskooperation vor, die neben dem Goethe-Institut, dem DAAD und dem IfA den kulturellen Austausch insbesondere mit dem afrikanischen Kontinent intensivieren soll.

PowerPoint-Präsentation aus einem Vortrag von Dr. Andreas Görgen, Auswärtiges Amt, 24.11.2020, aufgezeichnet auf der Online-Konferenz Collections from Colonial Contexts: Challenges, Tasks, Strategies www.cp3c.de; siehe youtube.com

Andreas Görgen betont:
»…there’s underdeveloped potential in Africa…«

Wir fragen:

Warum wird der Eigentumsanspruch auf gestohlene oder unrechtmäßig erworbene Objekte eigentlich nicht grundsätzlich aufgegeben, so dass die Herkunftsgesellschaften allein entscheiden können, was jetzt damit zu tun ist?
Was glaubt die deutsche Seite ohne eine solche Verzichtserklärung verhandeln zu können?
Was ist das Eigeninteresse der deutschen Seite bei diesem plötzlichen Paradigmenwechsel?

Andreas Görgen:
»…we do not have to hide and
we should not hide our own interest to be an international player also in cultural politics.«

Die Agentur für Internationale Museumskooperation des Auswärtigen Amts soll kulturelle Infrastruktur wie den Bau neuer Museen auf dem afrikanischen Kontinent unterstützen und dabei deutsches Know-How einbringen. Die Eigeninteressen der Bundesrepublik werden hier erwähnt:

Diese Karte markiert mit Hilfe von Ländersymbolen Museumsstandorte oder Museumsneubauten, um deren Finanzierungsquellen und Einflusssphären sichtbar zu machen.

[Karte vergrößern]

UPDATE der Ausstellung vom 26.7.2022
Zur Absichtserklärung der Übereignung
der Benin-Bronzen an Nigeria durch die BRD

[siehe den BARAZANI.berlin Newsletter vom 26.7.2022]

Am 1.7.22 wurde im Auswärtigen Amt feierlich eine Absichtserklärung unterzeichnet, die die Rückübertragung der Eigentumsrechte an den sogenannten Benin-Bronzen an den nigerianischen Staat vorsieht. Die Unterzeichnenden waren: Außenministerin Annalena Baerbock und ihr nigerianischer Kollege Zubairo Dada sowie Kulturstaatsministerin Claudia Roth und der nigerianische Informations- und Kulturminister Lai Mohammed.

Die Worte waren groß und nicht ohne Pathos, der Champagner danach war prima, die Häppchen ebenfalls lecker, kurz: es war eine schöne Veranstaltung, die da im Auswärtigen Amt stattfand, anlässlich der feierlichen Unterzeichnung der Absichtserklärung zur Rückübertragung der Eigentumsrechte an sämtlichen sogenannten Benin-Bronzen in deutschem Besitz.

Eins vorweg: es ist gut, dass der Eigentumsanspruch aufgegeben wird. Das entspricht einer Forderung, die schon sehr lange erhoben wurde. Das ist durchaus ein Grund zu feiern.

Und doch blieben bei vielen Anwesenden ein mulmiges Gefühl und eine Menge Fragen: Wieso sind Menschen, die bis vor kurzem noch konträre Positionen vertreten haben, jetzt plötzlich zu diesem Schritt bereit? Was hat das womöglich mit der im Herbst anstehenden Eröffnung der letzten Ausstellungsteile im Humboldt Forum zu tun? Und: was folgt aus der Absichtserklärung konkret? Wieso sichert Nigeria darin den deutschen Museen zu, dass ein Teil der Benin-Bronzen auch in Zukunft hier zu sehen sein wird?

Unterzeichnung der Absichtserklärung zur Übereignung der Benin-Bronzen an Nigeria, 1.7.222, Auswärtiges Amt

Unschwer lassen sich auf deutscher Seite gewisse Eigeninteressen erkennen. Und wie man hört, arbeiten das Humboldt Forum bzw. die Stiftung Preußischer Kulturbesitz derzeit fieberhaft daran, noch vor der dritten und voraussichtlich letzten Eröffnung am 17. September 2022 weitere Rückgaben unter Dach und Fach zu bringen: die Figur der Ngonnso aus Kamerun, die seit vielen Jahren zurückgefordert wird, soll nun ebenso zurückgehen wie zwei Masken aus Kolumbien, auf deren Restitution die indigenen Kogi schon lange pochen. Dass plötzlich alles mit Eile vorangetrieben wird, nachdem zuvor jahrzehntelang jedes Handeln ausgebremst wurde, soll wohl weiterer Kritik am HuFo den Boden entziehen.

Die Bemühungen, der Kritik an der „kaputtesten Institution der Hauptstadt“, wie es kürzlich in der SZ hieß, den Wind aus den Segeln zu nehmen, sind verständlich. Sie ändern aber nichts an den grundsätzlichen Problemen eines Hauses, das sich weiterhin das Recht herausnimmt, hunderte geraubter Objekte ohne das Einverständnis der Herkunftsgesellschaften zu zeigen; das weiterhin nur dort aktiv wird, wo es der Druck von außen unumgänglich macht; das sich neuerdings zwar gern Dekolonisierung auf die Fahnen schreibt, dessen Kuratorenteam aber zu 99% weiß ist; eine Institution, die nach wie vor keine Ahnung hat, wo es lang geht, weil sie sich mit der Frage, was Dekolonisierung wirklich bedeutet, nie beschäftigt hat, sondern immer nur auf Beruhigung der Öffentlichkeit setzt.

So ist daher auch im September das immer gleiche Spiel zu erwarten: man wird bei Kritik auf die gerade vollzogenen Restitutionen verweisen, die zeigen sollen, dass die Dinge auf einem guten Weg sind. Das ist seit vielen Jahren die Strategie von SPK-Präsident Parzinger und Generalintendant Dorgerloh.

Aber was ist denn mit den Sammlungen aus Tansania, aus Togo, aus Kamerun (abgesehen von der Ngonnso)? All das wird weiterhin präsentiert, vieles in sogenannten Schaudepots, deren Zusammenstellung nach Sammlern und ihren Raubzügen benannt sind und historische Gewaltverhältnisse schlicht reproduzieren; deren arg dünne Beschriftungen, die man in einem Info-Tisch suchen soll, beredtes Zeugnis davon ablegen, dass man nach wie vor von den Objekten keinerlei Ahnung hat. Die viel beschworene Kooperation ist einstweilen nur Behauptung.

„We want it to usher in a new era of cooperation between our two countries. Because looking back is one thing. But we are here… to build together the future“, beschwor Annalena Baerbock im Auswärtigen Amt die neue Ära, und Kulturstaatsministerin Claudia Roth sekundierte: „That is what our joint policy declaration is about: Laying the cultural foundation of a new era of cooperation.“

Für diese neue Strategie steht vor allem eine Person: Andreas Görgen, vormals Kulturbeauftragter im Auswärtigen Amt, jetzt Ministerialdirektor unter Claudia Roth. Er scheint für diese Kooperation genau der richtige Mann. Er hat das Museumslab ins Leben gerufen, bei dem sich europäische und afrikanische Kurator:innen in Zusammenarbeit üben sollen. Und er hat die Benin-Verhandlungen entscheidend vorangebracht.

Dass Görgen dabei auch sehr genau um die geostrategischen Ziele seiner Arbeit weiß, zeigt die weiter oben aufgeführte Power Point Präsentation. Hier werden detailliert chinesische, russische und andere kulturelle Kooperationen und Schenkungen auf dem afrikanischen Kontinent angeführt, um die Notwendigkeit einer neuen deutschen Kooperationsstrategie zu untermauern. „It is no coincidence that we reach this historic agreement with Nigeria, a key strategic partner for us in Africa“, verdeutlichte Baerbock diesen strategischen Aspekt der Annäherung.

Der Elefant im Raum war dabei nicht zu übersehen: China. Die chinesische Präsenz in Afrika ist nicht nur im ökonomischen, sondern auch im kulturellen Bereich – z. B. durch den Bau von Museen – überdeutlich und soll jetzt herausgefordert werden. Zunächst, aber nicht nur mit kultureller Partnerschaft: „The foundation of all cooperation is culture“, erklärte Claudia Roth. Das Motto lautet: „Wir sind, anders als China, die Guten.“ Kooperation „auf Augenhöhe“, heißt es neuerdings, „unsere Partner in Afrika“.

Doch beim Beschwören der neuen Ära bleiben Fragen: wollen die beraubten Länder die Kooperation tatsächlich oder wird sie ihnen aufgenötigt? Und kann eine Kooperation, die nur von einer Seite finanziert wird, überhaupt „auf Augenhöhe“ sein? Und dienen diese Kooperationen am Ende nicht vor allem dazu, die eigenen Museen besser dastehen zu lassen und lebendiger zu machen?

Nicht zuletzt fehlt jegliche Diskussion über das Konzept des Museums als solchem. Mit kolonialer Geste glaubt Deutschland noch immer selbst am besten zu wissen, wie die jeweiligen Kulturgüter auch in den Herkunftsländern gezeigt werden sollen und treibt den Bau von Museen im globalen Süden voran.

Nicht zu vergessen, dass auch nach den vereinzelten Rückgaben der größte Teil der Sammlungen in Deutschland verbleiben wird, während Menschen aus den Herkunftsländern hier weder Visa noch Perspektiven bekommen und nach wie vor tagtäglich „zurückgeführt“ werden.

So ist schwer zu glauben, dass jetzt tatsächlich eine neue Ära der Zusammenarbeit nicht nur auf kultureller, sondern auch auf ökonomischer Ebene beginnt. Oder sind wir tatsächlich auf dem Weg zu dem, was Felwine Sarr und Bénédicte Savoy eine „Neue Ethik der Beziehungen“ nannten? Bisher jedenfalls war nichts davon zu hören, dass jetzt auch all die Wirtschaftsverträge, die Handels- und Zollabkommen zwischen der EU und afrikanischen Ländern neu verhandelt werden, die koloniale Verhältnisse in der Gegenwart fortschreiben.


[CHANGE THE LANGUAGE OF THIS ARTICLE ON THE LEFT]

Ende der Ausstellung
BARAZANI.berlin – Raum 3
The [New] Scramble for Africa

weiter zu Monika Grütters Sound-Installation
»Die Aura des Originals
«


weiter zur Ausstellung
»Weiße Dominanz
«


weiter zum
»Raum für Kritik«